Mittwoch, 19. März 2014

Shabby oder schick?

Eigentlich bilde ich mir was drauf ein, nicht mit jeder Mode zu gehen. Zum Beispiel Karottenhosen. Die sahen in den 80ern schon scheiße aus. Warum soll ich die jetzt anziehen. Mal ganz davon abgesehen, dass Hüften mit Tendenz zur Breite in Karottenhosen einen wahren Panoramaeffekt entwickeln. Jedenfalls braucht man diese Einstellung an der Kamera, um sie so auf's Bild zu kriegen.

Das Gleiche gilt beim Einrichten: Da bleib ich mir treu. Skandinavischer Landhausstil! Weiß mit Farbtupfern. Schon seit Jahren. Schon laaaaange, bevor das so "in" wurde. Und dabei bleibe ich. Auch wenn jetzt die 50er wieder Einzug halten. Ich finde der Begriff "Nierentisch" sagt schon alles. Ich will keine Innereien im Wohnzimmer.

Aber eins nimmt mich immer mehr gefangen: Shabby Chick! Plötzlich ist aber wirklich alles salonfähig. Was du vor zwei Jahren noch voller Verachtung auf den Sperrmüll geknallt hast, findest du heute bei Dawanda unter "Vintage" für viele bare Euros. Eigentlich fing es ja mit niedlichen Kommödchen vom Flomarkt an, denen man das Alter ansah. Und wenn nicht: zweimal Streichen, erst dunkler, dann heller und die Kanten abschleifen. So schnell nagt der Zahn der Zeit.

So langsam nimmt es aber groteske Formen an. Nicht nur, dass man irgendwie kaum noch neue Möbel ohne synthetischen Alterungsprozess bekommt und das irgendwie paradox ist, auch ich fange langsam echt an zu spinnen. Gut, wenn ich morgens in den Spiegel schaue, hilft mir die Vorliebe für
Treibholz vom Rhein -
so schön shabby
Shabby Chick, trotz der Misere einen Fuß vor die Tür zu setzen. Falten überschminken? Ach quatsch: AUFMALEN!

Aber heute morgen hab ich dann doch überlegt, ob ich noch alle Tassen im Schrank habe (natürlich mit Sprung...). Ich stand also wartend am Fähranleger, um mich auf die beste aller Weisen über den Rhein bewegen zu lassen, und starrte abwesend auf den modrigen, schrundigen und pittoresk vermüllten Uferbereich (Niedrigwasser). Und dann begannen meinen Augen trotz Müdigkeit zu leuchten:

 "Shabby Chick!" freute ich mich und sinnierte: Ein Foto vom Schlick als Poster groß aufziehen und ins Wohnzimmer über die Couch hängen... "Hast du nen Knall", rief Geistig-klar auf meiner linken Schulter und es klang nicht wie eine Frage. "Aber die Roststellen am Anleger sind einfach zu charmant", meinte Leicht-zu-Begeistern auf meiner Rechten. "Demnächst nagelst du dir noch tote Regenwürmer an die Wand, weil die so schön vergänglich aussehen", ätzte  Geistig-klar. "Hm, jetzt wo du's sagst..."

Seitdem hat sich Geistig-klar nicht mehr zu Wort gemeldet. Er murmelte etwas von "Hopfen und Malz" bevor er seine Tätigkeit einstellte. Wahrscheinlich sitzt er in der Kneipe. Heute Nachmittag jedenfalls, stand ich plötzlich bei H&M am Drehständer mit den Karottenhosen... 

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